Vergißmeinnicht•••• Vergißmeinnicht • Jürgen Hösl • Postfach 12 18 • D–02752 Zittau • E-Post: vergissmeinnicht@gmx.info22Vergißmeinnicht••••Vergißmeinnicht • Jürgen Hösl • Postfach 12 18 • D–02752 Zittau • E-Post: vergissmeinnicht@gmx.infoNehmen Sie sich bitte die Zeit, meinen Bericht zu überfliegen, und schenken Sie im Anschluß, wie im Bilde der „Madonna von Stalingrad“ geschrieben: Licht, Leben, Liebe.Ich bin jetzt fast seit Anbeginn des Konfliktes mit mehreren Feldküchen in der Ukraine eingebunden und versorge in erster Linie Einwohner, Flüchtlinge, Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz, ferner natürlich auch Sanitäter und Soldaten, aber ebenso Kinderheime; ja, sogar ein Heim für körperlich und geistig behinderte Menschen wird immer wieder mitverpflegt…Jeden Tag erlebe ich hier mit meinen Mitstreitern und Helfern menschliche Tragödien, deren seelische Verarbeitung fast allabendlich mit einem Schluck Hochprozentigem eingeleitet wird, um dann am nächsten Tage gestärkt weiterzumachen. Und das alles nach ziemlich kurzen Nächten…Mittlerweile sind es fünf Feldküchen, die mit voller Ausstattung, vom Stromerzeuger über die Beleuchtung, Kühlung, etliche Kochutensilien bis hin zu verschiedenen Küchengeräten im Einsatz sind – bisher privat bezahlt! Lediglich einige meiner solventen Mitstreiter helfen mir, diese immensen Kosten etwas zu schmälern, aber ich merke, daß sich langsam, aber sicher unsere Ressourcen dem Ende neigen und ich Unterstützung bei weiteren Personen erbitten muß. Ich bin hier für viele Soldaten, Polizisten und Einsatzkräfte die „Mutter der Kompanie“, meine Schützlinge haben mich gebeten, verschiedene Ausstattung zu organisieren, denn hier fehlt es dem einfachen Soldaten wirklich an allem; die Jungs – und leider auch Mädels – stehen hier mit Ausstattung wie im letzten Weltkrieg: eine Kalaschnikow mit vier Magazinen, ohne jegliche Optik, keine Taschenlampen, keine Ferngläser, keine Kochmöglichkeiten, kaum Schlafsäcke, wenig Verbandsmaterial, zwar tolle Flecktarnwesten, aber ohne schußsichere Einlagen/ballistische Platten… Was unbedingt Vorrang hätte, ist ein weiterer Krankenwagen! Jeder Sonntagsjäger bei uns ist besser ausgestattet als die Menschen hier, bei denen es um Leben oder Tod geht. Lassen Sie sich von den Propagandabildern im Fernsehen bitte nicht täuschen, die gutausgestatteten Männer und Frauen der Ukrainer, die man da sieht, sind absolute Ausnahmen! Und übrigens sieht es auf der russischen Seite nicht viel besser aus – es ist ein Drama auf beiden Seiten, und alle sind nur Menschen in den Mühlen der hohen Politik. Die Russen haben an manchen Tagen 600 Tote zu beklagen, viele der Kriegsgefangenen werden auch durch meine Feldküchen mitversorgt, mir persönlich sind die Pässe, die die armen Schweine jenseits der Front bei sich tragen, ziemlich wurscht – die Kleinen sind wieder mal Spielball der Mächtigen, und fernab jeglichen Kanonendonners füllen sich gewisse Typen die Taschen, wie es stets in der Geschichte der Fall war; der Mensch hat offenbar nichts dazugelernt!Meinem Ukraineeinsatz ging ein Einsatz als Katastrophenhelfer im Ahrtal nach der schrecklichen Überflutung des Jahres 2021 voraus. Viele, viele meiner AhrtalKameraden wollten nicht zusehen, sondern wie im Ahrtal aktiv beitragen, das Leid der Menschen zu schmälern. So fuhr ich denn auch mit einer (mittlerweile gekauften) Feldküche in die Ukraine und wies dort Lehrerinnen einer Schule in den Gebrauch des Gerätes ein. Ich spreche dort in der Ukraine fast ausschließlich Deutsch. (Oder gelegentlich mit Händen und Füßen…) Es stellte sich schnell heraus, daß diese Menschen überlastet, ausgebrannt und absolut hilfebedürftig sind, logistische und moralische Hilfe von außen wird mehr benötigt denn je (und bei mir stellt sich derselbe Effekt ein). Anfangs funktioniert man noch, auch und gerade in der Katastrophe, aber nach Wochen und Monaten braucht man jemanden von außen, der einem hilft, einen aufmuntert und Hoffnung gibt! Diese Aufgabe erfülle ich mittlerweile für einen immer größer werdenden Kreis von Menschen, der mich liebevoll „Onkel Juri“ nennt – „Juri“, das bedeutet auf Ukrainisch und Russisch „Jürgen“.