BURSCHENSCHAFTLICHE BLÄTTER 159 | auf dem Weihnachtsmarkt vor dem Rathausplatz heiße Maroni zu holen, die dann während der Festrede bei Kommerstisch ausgeteilt, aufgeknackt und verzehrt werden, spätestens dann weiß man, daß man hier gerade keiner Messe konservativen, nationalliberalen und waffenstudentischen Deutschtums mehr beiwohnt, keinem Kreis von ver- schworenen Kriegern in ihrer Halle, geschweige denn einem inneren Fackelzug der Herzen, sondern einer Samstagabend-Party in Couleur. Da ist es dann auch bezeichnend, daß vom Zorn der freien Rede nicht viel übrig ist und sich nur der geschätzte Obmann des Ringes volkstreuer Verbände mit einem längeren Redebeitrag meldete. Dieser bewegte sich dann entlang libe- raler Prinzipien und verknüpfte diese mit einer migrationskritischen Haltung, was man, Ironie des Abends, in rech- teren Kreisen nun abtun könnte als liberal-konservative „Boomerei“, was aber gleichzeitig das Politischste und, wenn man so will: Schärfste, war, das an diesem Abend ins Mikrophon gespro- chen wurde. Insofern verwundert es auch nicht, daß an der einzig politisch prononcierten Stelle in der Festrede, als der Vortragende nämlich die wichtige Rolle der Freikorps bei der Verteidigung Schlesiens kurz erwähnte, einzig der Chargierte meiner lieben Burschenschaft Teutonia durch Klopfen mit dem Korbschläger seinen Beifall kundtat. Zu irgendwelchen Emotionsregungen war an diesem Abend offenbar ansonsten niemand zu bewegen. An dieser Stelle in meinem Bericht muß der Schreibfluß stocken: Läuft man nicht selbst Gefahr, zu verboomern, wenn man den Eindruck erweckt, dem altbe- kannten Sentiment anzuhängen, früher sei alles besser gewesen? Wer man- chen denkwürdigen Kommers erlebt hat – vom begeisterungsvollen Kommers der Deutschen Burschenschaft im eigenen Vorsitzjahr über den lustigen Völkerschlachtkommers bis hin zu eini- gen hervorragenden WKR-Kommersen – der leidet immer am Maßstab des hohen Referenzmaterials. Aber es ist nicht Enttäuschung das Leitmotiv dieses Berichts hier, zumal gerade im letzten Drittel dieses WKR-Kommerses doch noch so etwas wie Kommersstimmung aufgekommen ist. Die Erkenntnis ist vielmehr, daß man als Veranstalterin viel richtig machen und trotzdem eine laue Sache herauskommen kann. Denn es ist eben nicht das Programm, das zuletzt einen Kommers ausmacht, sondern der Geist der Anwesenden. So wie wir, wenn wir in den Chargen- wichs schlüpfen, mit ihm verschmel- zen zu äußeren Zeichenträger unseres jeweiligen Bundes, so tragen wir auch nicht unsere Farben wie ein Accessoire, sondern werden, wenn wir sie anle- gen, zu Repräsentanten einer inneren Haltung. Ist uns das immer im rechten Ernste bewußt? Wenn wir auf einen Kommers gehen, dann tun wir das nicht um unseres Gaudiums willen, sondern um unsere Traditionen zu würdigen, uns gegenseitig das Rückgrat zu stärken, unsere Seelen zu erbauen, uns unseres Auftrags zu erinnern und den Geist, der in unserem Liedgut steckt, in uns auf- zunehmen. Ein Kommers ist nicht dazu da, um hernach vergnügt nach Hause zu gehen, sondern um die heilige Scheu zu empfinden, daß unser Volk in uns lebt und daß sein Leben in unserem Kreise spürbar wird. Ein Kommers hat eine Messe des Vaterlandes zu sein. So lau nun, wie wir als Waffenstudenten in diesen Jahren dahintümpeln – schwa- che Aktivenzahlen, leiser Außenauftritt, defensive Grundhaltung – darf es nicht weitergehen. Die Zeit der sogenann- ten Pandemie hat die Gesellschaft gelähmt und auch unsereins nicht unberührt gelassen. Aber der Ruf „Burschen heraus!“ muß erschal- len auf unseren Kommersen, er kann nicht einfach ausgelagert werden an aktivistische Gruppen im Vorfeld, wäh- rend die Bünde selbst passiv bleiben. Dann ist es kaum ein Wunder, wenn andere Jugendverbände, die mehr Abenteuer versprechen, attraktiver sind als wir. Wenn ein Kommers nicht jeden Burschen der Stadt anlockt, um dort in verschworenem Kreise einmal im Jahr zusammenzukommen, dann läuft etwas gewaltig falsch – und wenn man, so wie ich selbst, erst einmal „keine Lust“ hat hinzugehen und dann das Gewissen einem den Fingerzeig geben muß, ist das ein Warnsignal an einen selbst. Wir leben in Schicksalstagen unserer nati- onalen Existenz. Wir haben dabei der Jugend etwas anzubieten: Ordnung in einer Zeit der Libertinage, Ernst in einer Zeit der Spaßhaftigkeit, Heiligkeit in einer Zeit der Profanität. Ein Kommers ist der Ausdruck dieses Selbstverständnisses und Lebensgefühls. Wer es nicht hat, der soll auch nicht kommen. Und wer es hat, der soll sich durchsetzen. In die- sem Sinne möge der nächste Kommers nicht mehr nur in fröhlichem Gesange enden – sondern wieder wie gewohnt: im Donnern. ■ N E B E L N E H C I L T F A H C S N E H C S R U B M E D S U A