BURSCHENSCHAFTLICHE BLÄTTER 179 | um akademische Sinnstiftung, um gelebte Orientierungswerte und lebenslange Freundschaft. Und im- mer wieder um Freiheit. Dies muß gerade gegenüber den Kritikern und Korporationsgeg- nern, von denen im Band eben- falls die Rede ist, immer wieder hervorgehoben werden: Wer sich mit Gleichgesinnten zusammen- tut, gibt seine Freiheit nicht an der Garderobe ab – im Gegenteil. Ein bewährter Generationenver- trag. „Außenstehende verstehen dies schwer, sehen nur Anzeichen äußerer Unfreiheit und erkennen nicht das Maß an Freiheit, das der freiwillige und daher lebenslange Bund von Gleichen schenkt – vom krassen Fux bis zum greisen Philis- ter. Zu Zeiten anonymen Massen- studiums wären es aber gerade diese engeren Gemeinschaften, die diesen lebendigen Freiraum an- bieten – Sozialisation in Bestform“ (S. 139). Jedenfalls dann, wenn die gehaltvollen Erfahrungen, die Ver- bindungen vermitteln, reflektiert werden. Und dies, wie Grün vor- macht, auch mit dem notwendigen Humor. Freiheit, akademische zu- mal, ist schöpferisch und kreativ, das Gegenteil von Denkschablonen und Sprachregelungen, wie sie das universitäre Leben und den aka- demischen Diskurs in Zeiten von „Cancel Culture“, „Wokeness“ und Identitätsdebatten heute immer mehr prägen (der Rezensent bittet für die Anglizismen um Absolution). Nicht erzwungener Gleichschritt im Denken, sondern der Mut zum Wi- derspruch bringt uns geistig voran. Bei alldem darf mitunter äußerst heftig gestritten werden, auch hit- zig und polemisch: „Freiheit ist nur denkbar, wo Ironie vertragen wird, Sarkasmus und Zynismus, Infra- gestellung bis ins letzte: Humor ist daher zutiefst subversiv“ (S. 139). Die akademische Wirklichkeit sieht heute oft anders aus, wie der Rezensent selbst schon erfahren mußte. Polemik und (Selbst-)Iro- nie sind geradezu verpönt. Um so wichtiger ist es, den streitbaren, wahrhaftigen, akademischen Dis- put einzuüben – und anschließend gemeinsam immer noch ein Bier trinken zu können. Wer hat das unter Bundesbrüdern nicht schon mehr als einmal erlebt!? Gerade deshalb sind Verbindungen heute (leider allzu oft) Schutzräu- me und Gegenwelten. Hier darf in Zeiten einer „Generation Gleich- schritt“ (Ralf Schuler) noch ge- stritten werden, hart und heftig, jenseits von Brandmauern und an- deren Grenzziehungen, hier erliegt die Freiheit nicht der Moralisie- rung und Emotionalisierung – dem Comment sei Dank, der den not- wendigen Rahmen für eine solche Freiheit setzt. „Das Lied, das Wort, seine Waffe – das machte ihn ge- fährlich“ (S. 196), schreibt der Autor über den Burschenschafter Hein- rich Hoffmann von Fallersleben. Für das freie Wort gilt dies heute wie- der mehr, als es unserer Demokra- tie guttut. in Studentenverbindungen Was passiert, wenn der Comment trägt und in Freiheit gelebt wird, bleibt politisch nicht folgenlos. Studen- tenverbindungen sind aus gutem Grund nicht parteipolitisch. Aber sie vermitteln ihren Mitgliedern wichtige „Soft Skills“, wie es im neudeutschen Consultantjargon heißt, die politisch-gesellschaft- lich keinesfalls folgenlos bleiben. Es geht um das Einstehen für die eigenen Überzeugungen und die eigenen Werte, für das, was man als wertvoll erfahren hat. Kurz: Farbe bekennen! Und an dieser Stelle wird Grün sehr deutlich, wenn er auf das Vorbild der beiden ehemals obers- ten Bischöfe hinweist, die auf dem Tempelberg ihr Kreuz versteckten: „‘Männerstolz vor Königsthronen‘ sieht anders aus“ (S. 135). In Verbindungen sollte es anders sein: Sie leben von gegenseitiger Freundschaft und Toleranz. Dafür aber muß ich wissen, auf wen ich mich verlassen kann, wofür ich ste- he und auch bereit bin einzustehen. Denn echte Toleranz „setzt den eigenen Standpunkt voraus und ist das Gegenteil von Gleich-Gültigkeit und Gleichgültigkeit“ (S. 141). Und es muß noch einmal gesagt wer- den: Es stünde deutlich besser um den öffentlichen Diskurs, wenn dies nicht allein hinter den Mauern von Verbindungshäusern gelten würde. Zum Nulltarif ist das nicht zu haben. Grün mahnt zu Recht: Verbindung ist immer nur so viel wert, wie ich zu geben bereit bin. Und was hat das nun alles mit Band, Pekeschen und Stafetten zu tun? Eine Menge, wie der Leser merken wird. Denn Com- ment darf nicht zum Selbstzweck werden, zum Comment-Dreschen oder zur despektierlichen Alberei, wie der Autor zu Beginn bemerkt. Warum – das entfaltet der Band dann auf treffliche Weise. „Ein Le- sebuch für Korporierte mit Stil und Profil“ – wirbt der Klappentext. Dies kann der Rezensent unter- streichen. Wahrer Stil zeigt sich im Vertrauen und Verstehen. Nicht in Oberflächlichkeit und Prinzipienrei- terei. Und ein solchermaßen geleb- ter Comment wird, wie der Autor im Vorwort schreibt, zur Lebensphilo- sophie. Wir sind bisweilen nicht frei von Lebensangst, wie wahr. Doch wer dies verstanden hat, setzt elegant-subversive Nonchalance gegen akademische Kleingeiste- rei und bürgerliche Spießigkeit. Der setzt jugendlich-kultivierten Spieltrieb gegen bräsige Beden- kenträgerei und übersteigerten Kri- senwahn. Mut zum eigenen Stand- punkt, zum Selberdenken und zur Widerständigkeit ist wahre Bürger- lichkeit – und Ziel des Comments. Man hört Odo Marquard zwischen den Zeilen heraus. Nie war der Comment so wertvoll wie heute – in einer Zeit des Umbruchs und Wan- dels, wo das Ererbte relativiert zu werden droht, wo sich immer mehr das Bewährte vor dem Neuen zu rechtfertigen hat. Nur Tradition, die zunächst verstanden worden ist, kann jedoch zeitgemäß gelebt wer- den, sonst bleibt es am Ende nur Anbiederung und billige Anpassung – das müssen wir auch unserem Nachwuchs in den Aktivitates mit auf den Weg geben: „Dem Zerfall der Maßstäbe wehren, ihren Wert ehren und den Bestand mehren, ist die Aufgabe von Korporierten jedweder Couleur. Nehmen wir die Herausforderung an, das ist unser ■ aller Comment!“ (S. 242). N N N N O O O O I I I I S S S S N N N N E E E E Z Z Z Z E E E E R R R R