BURSCHENSCHAFTLICHE BLÄTTER 131 | fügen und dadurch die Chance für einen Austausch zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft fördern (Zugehörigkeitsgemeinschaft). Die offe- ne Interpretation des Begriffes Nation entspricht eher dem Verständnis moder- ner demokratischer Gesellschaften.“2 Darüber hinaus sei „unter Berück- sichtigung des territorialen Aspekts […] zwischen staatenloser (Kultur-)Nation, deren Merkmale insb. eine gemeinsame Sprache, Kultur und Religion sind (z. B. Kurden), und Staatsnation zu unterschei- den, die in (mehr oder weniger geschlos- sener) territorialer Gemeinschaft lebt und anstelle des ethnischen stärker das politische Element der Gemeinschaft betont (Verfassungspatriotismus).“3 Demnach geht man, jedenfalls abs- trakt, von der Existenz von Völkern (Nationen) abseits staatlicher Kategorien auf Grundlage gemeinsamer Sprache, Kultur, Geschichte, Schicksal und Abstammung aus. Brauchtum, In einem Nationalstaat bildet das Volk (Nation) demnach, zumindest „weitgehend“, auch das Staatsvolk, also jene Menschen mit der jeweili- gen Staatsbürgerschaft, wohingegen ein Vielvölkerstaat „mehrere (größe- re) sprachlich, ethnisch, religiös etc. unterschiedene Bevölkerungsgruppen aufweist“4, wobei heute „die meisten modernen Nationalstaaten von pluralisti- schen Gesellschaften geprägt [sind], was eine klare Abgrenzung – Vielvölkerstaat versus Nationalstaat – erschwert. Die innerstaatliche Vielfalt wird in modernen Demokratien durch die die gemeinsame Staatsbürgerschaft vereint.“5 So ist beispielsweise, Iran seit dreitau- send Jahren ein Vielvölkerstaat. Dabei stellen Perser (Volk/Nation) die Mehrheit der (Staatsbürger/Staatsvolk). Darüber hinaus sind aber z.B. 10 % der Iraner (Staatsbürger/Staatsvolk) Kurden (Volk/Nation).7 Iraner „Um es auf eine kurze Formel zu brin- gen: Alle Perser sind Iraner, aber nicht alle Iraner sind Perser. Denn letztere sind im Wortsinn ausschließlich aus einer einzigen Provinz gebürtig: aus Fars, früher Pars geheißen.“8 Diese, wenn auch verkürzte, Formulier-ung macht deutlich, daß es die konkrete Terminologie im obigen Beispiel ermög- licht, präzise zwischen den Subjekten Volk (Nation) und Volk (Staatsvolk) zu unterscheiden, da eben keine etwaige der Nationalstaatlichkeit geschuldete nomenklatorische Verschränkung der Begriffe vorliegt. Im obigen Beispiel, übertragen auf die Bundesrepublik, stellten die Kurden wohl eine nationale Minderheit dar. Diese werden „dadurch [ge]kennzeichnet, daß sie die deutsche Staatsangehörigkeit mit fremder Volkszugehörigkeit verbin- den.“9 Rückübertragen also die irani- sche Staatsangehörigkeit mit kurdischer Volkszugehörigkeit. „Personen deutscher Volkszugehörigkeit gehören damit weder zu einer nationalen Minderheit (OVG Schleswig, Beschluß vom 25. September 2002 – 2 K 2/01, juris Rn. 37) noch können aus der ein- zigartigen Sonderstellung der nationalen Minderheiten generelle Rückschlüsse auf den Volksbegriff des Grundgesetzes gezogen werden.“10 (Art. 116 GG) nicht zu einer natio- nalen Minderheit gehören (Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 5. Aufl., § 6 Rn 23, Bundestagsdrucksache 7/342 S. 6). Als nationale Minderheiten im Rechtssinne werden überwiegend nur solche verstan- den, die ihr angestammtes, möglichst geschlossenes Siedlungsgebiet auf dem Territorium eines überwiegend fremd- völkisch besiedelten Staates haben (vgl. Kühn, a.a.O., S. 9 f mit zahlreichen wei- teren Nachweisen).“11 Als solche nationale Minderheit „die ihr angestammtes, möglichst geschlosse- nes Siedlungsgebiet auf dem Territorium eines überwiegend fremdvölkisch besie- delten Staates“ haben, gelten die Dänen in Südschleswig.12 „Staat“ i.d.S. ist demnach die Bundes- republik Deutschland, das „Territorium“ das Staatsgebiet der Bundesrepublik und das „angestammte Siedlungsgebiet“ Südschleswig. Das VG Berlin trennt damit ebenfalls zwischen „Volkszugehörigkeit“ (Volk/ Nation) und “Staatsangehörigkeit“ (Staatsvolk) auf rein tatsächlicher Ebene unter Negation einer daraus folgenden Rechtswirkung. „Fremdvölkisch“ i.d.S. sind dann wohl die das Staatsgebiet der Bundesrepublik „überwiegend“ „besiedelnden“ sich von den Dänen „in ethnischer, religiöser oder sprachlicher Hinsicht“ unterscheidenden Personen. Der vom VG Berlin zitierte Beschluß des OVG Schleswig führt hierzu weiter aus: „Minderheit ist eine der übrigen Bevölkerung eines Staates zahlenmäßig unterlegene Gruppe, die keine herrschen- de Stellung einnimmt, deren Angehörige in ethnischer, religiöser oder sprachli- cher Hinsicht Merkmale aufweisen, die sie von der übrigen Bevölkerung unter- scheiden, und die zumindest implizit ein Gefühl der Solidarität zeigen, das auf die Bewahrung der eigenen Kultur, der eigenen Tradition, der eigenen Religion und der eigenen Sprache gerichtet ist (Capotorti, Die Rechte der Angehörigen von Minderheiten, VN 1980, 113, 118). Eine nationale Minderheit in der Bundesrepublik Deutschland verbindet deutsche Staatsangehörigkeit mit frem- der Volkszugehörigkeit (BVerfG, Urt. v. 23.01.1957 - 2 BvE 2/56 -, BVerfGE 6, 85, 98), wobei dem Bekenntnis zur fremden Volkszugehörigkeit maßgebli- che Bedeutung zukommt (Kühn, a.a.O., S. 8; siehe auch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 LV). Personen deutscher Volkszugehörigkeit können als Glieder der deutschen Nation Dies setzt zwar nicht notwendig die Existenz einer „in ethnischer, religiöser oder sprachlicher Hinsicht“ homogenen „fremdvölkischen“, das Staatsgebiet der Bundesrepublik „überwiegend“ „besie- delnden“ Personengruppe voraus, da die fremdvölkische Besiedlung auch eine in sich heterogene, jeweils aber fremdvöl- kische im Verhältnis zu den Dänen sein könnte, doch schließt sich dies auch keineswegs aus. Prämisse für die Folgerung des OVG Schleswig ist es jedoch, daß die „Personen deutscher Volkszugehörigkeit“ (Nation) gerade nicht alle Deutschen i.S.d. Art. 116 GG abbilden, da auch die Dänen in Südschleswig Deutsche i.S.d. Art. 116 GG sind, sonst nicht „fremdvölkisch“ und „nationale Minderheit“ wären. Gemeint sein kann also nur eine von der Staatsangehörigkeit (Deutscher i.S.d. Art. 116 1. Alt. GG) unabhängige, ander- weitige „fremdvölkische“ Zugehörigkeit, also eine im ethnischen usw. Sinne (Nation). S E G I T S N O S